Rundum 2006, 16.06.2006


Das Auslaufen in Lindau zur Rund um beginnt mit einem deftigen Regenschauer und Null Wind – ein Vorgeschmack? Die Einbaumaschinen-Boote umkreisen uns, wir erwägen zu rudern. Ca. 20 Minuten vor dem Start geht’s los, ordentlicher Wind aus dem Rheintal bringt reichlich Bewegung ins Feld. Wir entscheiden uns für die Schweizer Seite für den Start, was sich als gute Wahl herausstellt, mindestens zwei 45er (P 229 Pillipalla) trafen die gleiche Wahl. Ein furioser Start, mit Vollgas in die Nacht. Neben der Windwelle baut sich reichlich Heckseegewell auf. Nie erlebt, kurz nach dem Start unterschneidet der Schuft und steckt bis zum Mast fest. Leichtes Anluven bringt ihn wieder in Fahrt. Wo eben noch der Spibaum lag, gähnende Leere. Die Sicherungsstrops haben die Überflutung nicht gehalten. Die Rauschfahrt bei besten Bedingungen zieht schnell das Feld auseinander. Die Schweizer Seite geht deutlich besser. Für Konkurrenzbeobachtung hat keiner die Muße. Pures Segelvergnügen!

Schloss Montfort ist in Sicht und der Wind lässt langsam nach. Dennoch kommen wir immer noch gut voran. Wo sind unsere Klassengenossen, keiner in Sicht. Mit abnehmendem Tageslicht nimmt der Wind weiter ab. Hinter uns eine großes Lichtermeer, vorne eher weniger. Ein gutes Gefühl. An der Meersburger Tonne runden wir um 0.32 Uhr, hier werden die rundenden Schiffe auf dem Live-Ticker noch einzeln erwähnt. Wir fühlen uns geehrt.

Nun beginnt der lange, schwere Gang nach Überlingen. Regengüsse rauschen auf uns zu und das Feld wird zusammengeschoben. Ein 45er taucht in unsere Nähe auf, Regattafieber entflammt, wir fighten um Zentimeter. Nach einer ganzen Weile erkennen wir, dass es ein 75er ist. Wir haben uns wieder für eine Ufer-ferne Route entschieden. Nun nicht die bessere Wahl. In Überlingen treiben wir mit Unmengen anderen ums Fass. Vor uns die Argo und die Obadjah, auch die Pillipalla ist uns schon begegnet. Immer wieder überraschend, nach so vielen Stunden plötzlich fast alle beieinander.

Mit der Hoffnung auf kleine Windblasen unter Land halten wir uns auf dem Rückweg aus dem Überlinger See an der Nordufer-Seite. Schon bald nach der Tonnenrundung finden wir einen schönen Heber und ziehen an der Argo vorbei. Die Obadjah hat sich fürs andere Extrem, die Bodanrück-Seite, entschieden. Scheint ihr zunächst aber keine Fortüne zu bescheren. Die Argo greift an und schafft sich eher in Seemitte heran und – oh Schmerz – vorbei.

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Obadjah ade! Hubert findet nicht nur einen Strich, nein einen echten Streifen. In 20 Minuten ist die Obadjah fast hinterm Horizont verschwunden. Die sehen wir bestimmt am Steg in Lindau das nächste Mal. Aber das Rennen ist noch lang. Wir konzentrieren uns auf die Argo und die Pillipalla. Zu Dreien rauschen wir hoch am Wind bei schönem Süd-Ost mit ca. 2 Bft. Richtung Romanshorn. Dicht unter Land, nur kurze Holeschläge ist trimmen angesagt. Argo vorneraus, Pillipalla und wir schuften hinterher, aber dicht dabei. Ein langer Schlag der Pillipalla zur Seemitte kostet sie einige hundert Meter.

Schlussrunde: Die Argo rundet als erstes die letzte Tonne in Romanshorn, wir in Schlagdistanz hinterher. Draußen weit auf der deutschen Seite sehen wir die Obadjah, weit in Luv, aber nicht zu weit voraus. Wir träumen von Winddrehern und taktischen Optionen. Wir bleiben hier, gehen mit der Argo. Herrliches Segeln!

Die Argo kontrolliert uns, wir wenden weg, fahren kurz nach Luv. Matthias Berz bleibt bei seinem Kurs. Weiß er, was kommt? Unbeirrbar bleibt er an der Schweizer Seite. Unser Luvschlag hat uns weiter abgeschlagen. Die Argo läuft weiter tief mit gutem Speed. In Rheintalnähe passiert’s. Ein heftiger Dreher, die Argo wendet und kann scheinbar fast Lindau anliegen. Aus und vorbei, nicht mehr zu halten. Wir beginnen Winddreher auszusegeln. Die Obadjah scheint noch in der Nähe. Die Pillipalla geht den Gang am Schweizer Ufer und findet den gleichen Berzschen Dreher. Heran oder vorbei, die Nerven liegen blank.

Am Ende schafft es die Argo vier Minuten vor der Obadjah ins Ziel, nach 20 Stunden segeln vier Minuten Distanz. Was für ein Krimi. Wir Halbschwimmer treiben beinahe 40 Minuten später über die Linie, Pillipalla kommt 20 Minuten später herein, eine weitere gute Stunde danach ist auch die May im Ziel. Kein May-Wetter, die meist laue Luft. Es war ein schönes Erlebnis, sehr spannend, bis zum Schluss. Nicht zu vergessen auch immer wieder herrliches Segeln.

Berlin, 20.06.06

Mit besten Grüßen

Silvio Schobinger, P 201 Schuft V